Essstörungen: Wie wir unseren Kindern helfen können

Essstörungen

Bulimie, Magersucht oder Ess-Sucht: Es gibt zahlreiche Essstörungen, unter denen vor allem junge Mädchen, aber auch Jungen erkranken. Die Ursachen liegen oftmals nicht bei den Betroffenen allein, sondern in der Familie.

Ursachen für Essstörungen: Die ganze Familie ist betroffen

„Krankheiten treffen meist nicht nur einen einzelnen Menschen, sondern fast ebenso die Gemeinschaft, in der er lebt“, so Dr. med. Monika Gerlinghoff, „so ist es auch bei der Essstörung.“ Sie hat gemeinsam mit Dr. med. Herbert Backmund das Therapie-Centrum für Essstörungen (TCE) in München gegründet. „Nach langjähriger Erfahrung mit Patientinnen sind wir der Überzeugung, dass essgestörtes Verhalten oft aus einer aus den unterschiedlichsten Gründen als ohnmächtig und hilflos erlebten Situation heraus ausgelöst wird“, so die Fachärztin. Die Gründe für die Flucht in die Essstörung können Mobbing in der Schule, die drohende Scheidung der Eltern oder ein ungesund-perfektes Familienleben sein, das alle Familienmitglieder zu einem konformen Verhalten zwingt. Was können wir als Eltern, Tanten, Geschwister und Freunde machen, damit Familienangehörige und Freunde nicht an einer Essstörung erkranken?

Wie das Familienleben Jugendliche prägt

In ihrem Buch „Is(s) was!?“ geben die beiden Fachärzte wichtige Informationen zu den Ursachen und Symptomen zu Essstörungen wie Bulimie, Binge Eating Disorder (Ess-Sucht) oder Magersucht. Für Eltern ist dieser Ratgeber besonders wertvoll, denn es kommen sowohl betroffene Jugendliche wie auch Eltern zu Wort. „Meine Eltern haben jahrelang nichts, aber auch gar nichts begriffen“, so Mia, die an Bulimie erkrankte, „sie wunderten sich zwar oft, dass ich so viel aß und nicht dicker wurde beziehungsweise dass ständig im Kühlschrank etwas fehlte.“ Das Ausblenden von Problemen sei in ihrer Familie schon immer Normalität gewesen. „Ich glaube, ein Grund für meine Krankheit war unser verlogenes Familienleben.“ Fehlende Zuwendung, ein (nach außen) perfektes Familienbild und erzwungener Erfolg – davon lässt sich in den Geschichten der Betroffenen oft lesen. Die Lebenssituation, in der sie sich befinden, ist der wahre Auslöser für Essstörungen.

Eltern helfen Eltern

Eltern erhalten in dem Ratgeber auch Einblicke in die Wahrnehmung der Eltern und die Möglichkeiten, Jugendlichen zu helfen. „Langsam verwandelte ich mich in den Familiengruppengesprächen von einer Blinden in eine Sehende“, so Petra, Mutter einer 20-jährigen Tochter, „ich verstand, dass die Krankheit eine Sprachform ist, mit der die Betroffenen sich ausdrücken, weil sie keine andere Möglichkeit der Kommunikation haben“.
Rolf, Vater einer 21-jährigen Tochter, erzählt von seinem früher perfekt anmutenden Familienleben. Er arbeitet, die Mutter kümmert sich um die Kinder, Leistung und Disziplin sind die Tugenden der Familie, über „Gefühle und Emotionen wurde wenig gesprochen, noch weniger wurden sie offen gezeigt“. Als seine Tochter an einer Essstörung erkrankt, fühlt er sich zunächst hilflos, findet am TCE jedoch die benötige therapeutische Hilfe. Schnelle Erfolge ließen nicht auf sich warten, gewohnt zielstrebig hoffte der Vater nun, „der Genesungsprozess schreite zügig und planmäßig voran.“ Dass eine Essstörung keine rein körperliche Erkrankung ist, die sich im Nu wegtherapieren lässt, wurde ihm bewusst, als seine Tochter ihm erstmals bekannte, was sie an ihm vermisse, „Wärme, Zuneigung, Liebe und die Fähigkeit, Gefühle zu zeigen.“ Monika Gerlinghoff und Herbert Backmund zeigen in ihrem Ratgeber, dass der Weg aus der Essstörung ein Prozess der Veränderung ist, den alle Familienmitglieder gehen müssen, und an dessen Ende mehr Gesundheit und Zufriedenheit für alle wartet.

 

Monika Gerlinghoff / Herbert Backmund: Is(s) was!? Essstörungen sind Krankheiten. Informationen und Hilfe für Betroffene und ihre Angehörigen. Mit Online-Materialien
Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2017.
177 Seiten, 15,99 Euro.
ISBN: 978-3-407-86463-5

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