Stefan Dederichs wollte als Jugendlicher gern Gitarre spielen lernen. Aber er traute sich nicht, denn da gab es einen Mitschüler, der die Gitarre scheinbar makellos spielen konnte. Perfekt eben. Also fing Dederichs gar nicht erst an, es zu probieren, denn besser als der Mitschüler würde er es niemals hinbekommen. Kennt ihr dieses Gefühl?
Vielleicht wolltet ihr euch mit einer Idee selbstständig machen, trautet euch aber nicht, weil ihr euch nicht bereit genug fühltet. Oder ihr seid auf der Suche nach der Traumbeziehung, in der alles perfekt aufeinander abgestimmt ist. Und wie viele von uns sind überhaupt auf der Suche nach dem perfekten Leben? Aber warum überhaupt dieser Perfektionismus? Stefan Dederichs fordert: Scheiß auf perfekt!
Perfektionismus macht krank
In seinem gleichnamigen Ratgeber zeigt er, wie wir mit Mut zur Lücke (auch) ein glückliches Leben führen können, sei es in Beziehungen, im Beruf oder im Umgang mit uns selbst. Der Vortragsredner und Gesellschafter mehrerer Firmen weiß aus eigener Erfahrung, wie viel ein großer Perfektionismus verhindern und wie er unter Druck setzen kann.
„Oft habe ich mich gar nicht erst getraut, mit etwas zu starten, weil ich der Meinung war, dass ich es sowieso nicht gut genug hinbekommen würde“, erzählt er. Aber wie es so ist: Wenn wir uns nicht auf den Weg machen, werden wir niemals ankommen. Es braucht, das zeigt Dederichs sehr anschaulich, für ein glückliches und erfülltes (Berufs-) Leben nämlich eher selten die 100 Prozent, die ein Ergebnis perfekt machen.
Es reichen auch mal 95 Prozent
Er stellt das Pareto-Prinzip vor, nach dem wir 80 Prozent des Ergebnisses mit 20 Prozent des Gesamtaufwandes erreichen. Die restlichen 20 Prozent – das perfekte i-Tüpfelchen – brauchen dann aber 80 Prozent des Gesamtaufwandes. Dederichs kennt das selbst. Das Gesellenstück seiner Tischler-Ausbildung hatte einen kleinen Makel, der nur für seinen Meister und später für die Prüfer ersichtlich sein würde. Der Meister empfahl ihm, das gesamte Möbelstück noch einmal neu zu bauen, damit er die 1 anstatt einer 2+ bekäme. Dederichs beließ es bei seiner Arbeit, pfiff auf das perfekte Ergebnis und bekam die 2+. Nach seiner Abschlussnote fragte ihn nie wieder jemand. Heute weiß Dederichs, dass sein Perfektionismus ihn fast krank gemacht hätte und er nicht seinem Wesen entspricht. „Ich bin ein Sprinter, der seine PS schnell auf die Straße bringen kann“, sagt er, „Ja, natürlich mit guter Qualität, jedoch ohne 95 Prozent der Zeit mit 5 Prozent der letzten Strecke zu verbringen, um perfekt durchs Ziel zu laufen.“
Ein Plädoyer für Gelassenheit
Und geht es uns nicht oft genauso? Ist es wirklich so wichtig, ob deine Wohnzimmereinrichtung perfekt aus einem Guss ist, kann sie nicht auch so gemütlich sein? Und macht es wirklich Sinn, deinen Partner gehen zu lassen, nur weil er ein, zwei Macken hat, die du nicht so optimal findest – könnt ihr nicht trotzdem miteinander glücklich sein? Wenn ihr nicht gerade Sterneköche oder Leistungssportler seid, bei denen es auf die letzten 5 Prozent ankommt, dann vertraut eurem Bauchgefühl und setzt auf einen perfekten Unperfektionismus, der euch schöne Momente beschert.
Ein wirklich inspirierendes Buch, das den Druck herausnimmt, dem sich viele von uns in einer leistungsgetriebenen Gesellschaft unbewusst aussetzen.
Stefan Dederichs: Scheiß auf perfekt! Mit Mut zur Lücke glücklich leben
GABAL Verlag GmbH, 2020
208 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-96739-040-7
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