Raus aus der Mental Load-Falle

Das Kind ist auf einen Geburtstag eingeladen. Als Elternteil trittst du in Kontakt mit den Eltern des Geburtstagskindes und erfragst, welches Geschenk infrage kommt, und erklärst, dass dein Kind eine Gluten-Unverträglichkeit hat. In den nächsten Tagen organisierst du das Geschenk und klärst mit einer anderen Mutter aus dem Kindergarten ab, dass sie dein Kind zum Geburtstag mitnimmt. Du musst nämlich noch arbeiten und kannst es nicht hinbringen, holst dafür aber beide von der Feier ab.

Außerdem musst du dir noch überlegen, wann du dein Kind Nr. 2 aus dem Hort abholst und ob ihr die Geburtstagsgäste dann gemeinsam auf dem Heimweg einsammelt oder erst nach Hause fahrt … Und da steht dann schon das Vorbereitungstreffen für die Projektwoche im Hort an, für die du Vorschläge vorbereiten wolltest.

Die unsichtbaren Aufgaben

Dieses Beispiel zeigt, wie ein einziges, alltägliches Ereignis im Leben einer kleinen Familie enorm kleinteilige Aufgaben und Gedanken nach sich zieht. Einkaufen, putzen, Steuererklärung, Urlaubsplanung, Geburtstage, Familienbesuche, Fotos entwickeln, Kleidung nähen, den wackeligen Stuhl reparieren, ein neues Vokabelheft besorgen, das TV-Abo kündigen … neben Kindergeburtstagen gibt es ganz viele dieser kleinen und großen To-dos, die ständig in unserem Kopf herumschwirren.

Manchmal bannen wir sie auf Listen oder speichern sie im Handy ab, aber ganz verschwinden sie nie aus dem Hinterkopf. Dieses Phänomen nennt sich Mental Load. Sehr häufig lässt sich beobachten, dass es meist Frauen sind, die solche sichtbaren und unsichtbaren To-dos mit sich herumtragen, sobald sie eine Familie gegründet haben. Mit einer wirklichen bewussten Ungleichberechtigung hat das aber zumeist nichts zu tun.

In neue moderne Rollenbilder hineinfinden

Wer von vornherein geklärt hat, dass ein Elternteil arbeiten geht und der andere Haushalt und Familie schmeißt, der hat auch den Mental Load klar an eine Person übergeben. In Beziehungen mit gleichverteilten Rollen starten beide im Beruf durch und haben eigentlich den Anspruch, auch den Rest gleich zu verteilen.

Doch auch wenn beide Geschlechter zum Einkommen beitragen, ist es ein Fakt, dass Männer oft noch immer das größere Einkommen nach Hause bringen und damit noch immer die Hauptverdiener sind. Den Frauen fällt deshalb oft automatisch die traditionelle Aufgabe der Sorgerin zu.

„Die Geburt eines Kindes hat einen stark retraditionalisierenden Effekt auf Paare – egal, ob diese homo- oder heterosexuell sind –, was dazu führt, dass der Mental Load selten geteilt wird“, so Patricia Cammarata. Sie ist Autorin des Buches „Raus aus der Mental Load-Falle“, in dem sie zeigt, wie Eltern völlig unbemerkt dort hineingeraten.

Unbewusste Geschlechterklischees

Allein wenn Mütter ihre Kinder morgens in die Kita bringen, bringt das sehr viel Mental Load mit sich. Sie sind automatisch Ansprechpartner für andere Eltern, die Spielverabredungen anfragen, Erzieher, die Dinge zu besprechen haben, sie müssen den Beutel mit Wechselwäsche im Blick haben, im Sommer an Sonnenschutz und im Herbst an Gummistiefel denken.

Und selbst wenn Väter ihre Kids in die Kita bringen: Sobald zu klären ist, was die kleine Elli zum Geburtstag bekommt, schlägt Papa die Hände über dem Kopf zusammen und gibt diese Aufgabe an die Mama ab, die gleich daran denkt, dass Elli eine Leidenschaft für Einhörner hat.

Frauen sind sozialer, kennen sich mit „Kindersachen“ aus, können besser basteln, backen und haben überhaupt dieses naturgegebene Einfühlungsvermögen, diesen Mutterinstinkt, der sie unabkömmlich macht: Schwingen diese unbewussten Glaubenssätze mit, wird klar, warum der Mental Load sich vornehmlich bei Frauen sammelt.

Mental Load Map

Patricia Cammarata zeigt in ihrem Ratgeber aber auch auf, wie Eltern den Kreislauf an unerfüllten Aufgaben und nahender völliger Erschöpfung durchbrechen. Zunächst wird auch unsichtbarer Mental Load sichtbar gemacht, eine Mental Load Map macht es möglich.

Anschließend geht es an das Verteilen der Aufgaben mittels Listen in Apps oder der Excel-Tabelle. Und dann muss ein neuer Alltag eingeübt werden, in denen nicht nur das Ausräumen der Spülmaschine, sondern auch der gedankliche Ballast geteilt und wo möglich reduziert wird.

Patricia Cammarata: Raus aus der Mental Load-Falle. Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt
Beltz Verlag, Weinheim / Basel 2020
224 Seiten, 17,95 Euro
ISBN: 978-3-407-86632-5

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