Warum glauben Menschen?

Warum glauben Menschen

Was gibt der Glauben Menschen? Was unterscheidet Gläubige von Atheisten? Und inwiefern beeinflusst der Glaube unsere Persönlichkeit?

Die Mitgliederzahlen der evangelischen und katholischen Kirche sind rücklaufend, der Glaube an Gott ist in europäischen Ländern nicht mehr en vogue. Der Blick auf die Menschheit zeigt jedoch, dass eine große Mehrheit der Menschen einen spirituellen Glauben hat. Ob sie nun zu Allah, Gott oder Jahwe beten, spielt keine Rolle: Der Glauben scheint für alle Gläubigen ein wichtiger Pfeiler im Alltag zu sein. Aber warum sind manche Menschen religiös und andere nicht? Wie wirkt sich der Glauben auf die Psyche und Sozialisation des Menschen aus? In seinem Buch „Glauben“ geht der bekannte französische Resilienzforscher Boris Cyrulnik diesen Fragen nach.

Sind rational denkende Menschen alle Atheisten?

Bisher dachten Forscher, dass gläubige Menschen intuitiver sind als nicht-gläubige Menschen. Das ist der Kerngedanke der weithin anerkannten Intuitive Belief Hypothesis. Demnach sind Atheisten rationaler und analytischer als Menschen mit dem Hang zum Spirituellen. Doch diese These weicht mit neueren Studien nach und nach auf.

Der Wissenschaftler Miguel Farias von der Coventry University hat mit seinem Team mehrere Tests durchgeführt, die den Zusammenhang zwischen Intuition und spirituellen Glauben nicht erhärten konnten. Vielmehr vermuten Forscher, dass uns oft unsere Sozialisation und Erziehung zum Glauben führt. Mit dieser Vermutung würde der Resilienzforscher  Cyrulnik mitgehen, denn auch in seinem Buch „Glauben“ führt er ähnliche Idee an.

Wenn der Glauben hilft

Ein einschneidendes Erlebnis veranlasste Cyrulnik dazu, sich mit den Auswirkungen und dem Ursprung des Glaubens auseinanderzusetzen. Er war im Kongo unterwegs und lernte dort Kindersoldaten kennen. Die „alten Kinder“, wie er sie nennt, hatten in ihrem jungen Leben viel Schmerz und Trauer erlebt. Es gibt kaum etwas, was den Kindern Hoffnung und Erfüllung schenkt. Einer der Kindersoldaten fragt Cyrulnik, warum die Kirche der einzige Ort sei, an dem es ihm gut gehe.

„Ich konnte dem Kind keine Antwort auf seine Frage geben und sah, wie enttäuscht die tief verletzten Kinder waren“, erzählt der Resilienz– und Bindungsforscher, „ich ließ sie in ihrem Leid allein, weil ich ihnen nicht erklären konnte, warum man durch den Gang in die Kirche ein Trauma behandeln, eine gequälte Seele beruhigen und Schreckensbilder auslöschen kann.“ Das war der Ausgangspunkt für seine Forschungen zum Thema Glauben und Psychologie, die er in seinem Buch anschaulich und sehr reflektiert zusammenfasst.

Was entscheidet, ob wir glauben

Er selbst ist Atheist und beobachtet doch, dass der Glauben an eine höhere Macht den Menschen verändert und auch sein Handeln bestimmt. In dem schlimmsten Auswirkungen erkennt man dies in Glaubenskriegen und abgeschotteten Glaubensgemeinschaften, die alles Fremde abwerten. In „Glauben“ beleuchtet er die verschiedenen Aspekte des Glaubens, und das in einer erfrischend objektiven Sicht.

„Wenn ein Mensch sich gut entwickelt, in einer sicheren Familie, einer friedlichen Gesellschaft und einer Kultur, die Begegnungen fördert, dann ist das Bedürfnis nach Religion nicht so ausgeprägt“, so Cyrulnik. Vielleicht eine Erklärung dafür, warum die Religionen in europäischen Ländern mittlerweile eine untergeordnete Rolle spielen. Darauf ruht der Resilienzforscher sich aber nicht aus. In dem aufregenden Text zeigt Cyrulnik, was Atheisten und Gläubige eint und welchen Einfluss unsere Umwelt auf unsere Theory of Mind hat. Empfehlenswert!

Warum glauben MenschenBoris Cyrulnik: Glauben. Psychologie und Hirnforschung entschlüsseln, wie Spiritualität uns stärkt
Beltz Verlag, Weinheim 2018.
288 Seiten, 22,95  Euro.
ISBN: 978-3-407-86537-3

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