Arbeitswelt 4.0 – Was uns Work-Life-Blending bringt

Work Life Balance

Karl Marx malt in seinem Werk „Das Kapital“ ein düsteres Bild des industriellen Fortschrittes. Die Menschen arbeiten nicht selten zwischen 15 und 18 Stunden am Tag in dunklen Fabrikhallen und unter schlechten Bedingungen. Arbeit machte damals krank, das Wort „Freizeit“ gab es zum Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht. Mit dem Umschwung von einer Industriegesellschaft hin zu einer Wissensgesellschaft forderten Arbeitnehmer feste Arbeitszeiten ein, damit ausreichend Zeit für eigene Interessen und die Familie blieb. In den vergangenen Jahren etablierte sich die Idee der Work-Life-Balance.

Work Life Balance: Veraltet?

Der Ausgleich zu der täglichen Arbeitszeit wird heute vorausgesetzt. Es ist ein anerkannter Fakt, dass ein ausreichend großer Anteil an freier Zeit die Voraussetzung für einen gesunden Körper und Geist ist. 15 Stunden am Tag arbeiten ist möglich, aber kein Alltag mehr.
Nun werden aber Rufe laut, dass die strikte Trennung zwischen Arbeit und dem eigentlichen Leben veraltet ist. Die Digitalisierung macht es möglich, in den neuen Berufen überall und jederzeit zu arbeiten. Warum also jeden Tag von 9 bis 17 Uhr am Schreibtisch sitzen, wenn jedem Mitarbeiter die Freiheit eingeräumt werden kann, selbst zu entscheiden, wann und wie er arbeitet? Die Verschmelzung beider Lebensbereiche nennt sich Work-Life-Blending.

Work Life Blending: So funktioniert die Idee praktisch

Flexibles Arbeiten, das sich den jeweiligen Lebenssituationen anpasst – einer der großen Vorteile des Work-Life-Blendings. Auf Arbeitnehmer kann diese Aussicht verheißungsvoll wirken. Wenn das Kind krank ist, können Angestellte abends im Homeoffice Aufgaben abarbeiten. Wer gern lange schläft, geht erst zum späten Vormittag ins Büro und wer möchte, kann sich einen Tag in der Woche frei nehmen, wenn er am Wochenende seine Arbeit nachholt. Aus der Sicht von Angestellten sind das große Vorteil des Work-Life-Blendings – aber wie könnte dieses Modell praktisch funktionieren? Eine der größten Errungenschaften scheint die versprochene Flexibilität zu sein – aber für wen ist diese gewollt? „Die ganze Diskussion um ‚Flexibilisierung’ dreht sich überhaupt nicht um Mitarbeiterinteressen, sondern ausschließlich um die Erfüllung von scheinbaren Unternehmensnotwendigkeiten“, so Christian Scholz.

Work Life Balance

Denn immer schneller kämen immer komplexere Kundenwünsche, die immer schneller befriedigt werden müssten. Wer also vom Arbeitgeber flexible Arbeitszeiten fordere – wird diese vielleicht auch bekommen. Scholz ist Professor für Betriebswirtschaft an der Universität des Saarlandes und Experte für die Arbeitswelt 4.0. In seinem Buch „Mogelpackung Work-Life-Blending“ führt er vor, wie Work-Life-Blending eine Arbeitswelt darstellt, die sich so eigentlich niemand wünscht.
Work-Life-Blending beinhaltet eine Verschiebung der Arbeitswelt in das Privatleben. Immer mehr Unternehmen begrüßen es, wenn Mitarbeiter über möglichst viele digitale Kanäle auf ihre Arbeit zugreifen können: Über das Smartphone bleiben sie auch auf Geschäftsreisen erreichbar und über das Tablet oder Notebook können Arbeitnehmer auch Zuhause oder unterwegs arbeiten. „Wenn Mitarbeiter sowieso auf dem ‚eigenen’ Notebook arbeiten und dieses Notebook dann auch immer nach Hause mitnehmen, wird spätestens an dieser Stelle die Verschiebung von Beruf zu Privat offenkundig“, so Scholz. Anstatt also die Arbeitszeit sinnvoll und individuell in den Alltag integrieren zu dürfen, verspricht Work-Life-Blending vielmehr, dass Arbeitnehmer jederzeit und überall abrufbar sein müssen. 

Die Alternative: Arbeitswelt 4.Z

In seinem Buch stellt Scholz seinen Gegenentwurf vor, der die besten Elemente von Work-Life-Balance und Work-Life-Blending miteinander verbindet. Die Vision der „Arbeitswelt 4.Z“ bezieht sich auf die „Generation Z“, die Scholz in seinem gleichnamigen Buch beschrieben hat und womit die Generation der nach 1995 Geborenen bezeichnet wird. So erdenkt er sich eine Stadt, in der Arbeiten und Leben sinnvoll nebeneinander stehen. Bisher seien solche Konzepte von Unternehmen angetrieben, die darin das Potenzial sehen, Arbeitnehmer auch in ihrer Freizeit zum Arbeiten motivieren zu können. Bei einer solchen Erweiterung des „Workplace“ mutiere selbst die Freizeit zum Potenzial für Arbeit, so Scholz. Er berichtet von Namibia, wo er städtebauliche Konzepte entdeckt hat, in denen sich „Vernetzung, Dynamik und Vielfalt unabhängig von Unternehmen ergeben“, so Scholz, „anders als in der unternehmenszentrierten Smart City, bei der sich Büros im fließenden Übergang zum Kaffeehaus und dem Arbeitsplatz als Wohnzimmer positionieren, haben hier die Mitarbeiter die reale Chance zur klaren Trennung“.

Wieso flexibles Coworking ein Muss, Homeoffice aber ein No-Go ist, wie eine die Architektur der Arbeitswelt 4.Z aussehen und wieso Unternehmen sich wieder verstärkt auf ihre Identität berufen sollten, gibt es hier nachzulesen:

Christian Scholz: Mogelpackung Work-Life-Blending – Warum dieses Arbeitsmodell gefährlich ist und welchen Gegenentwurf wir brauchen.
Wiley Verlag, Weinheim 2017.
230 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 978-3-527-50928-7

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