Im Privatleben, im Job oder unter Freunden: Jeder kennt unangenehme Situationen, in die wir immer wieder hineintappen. Die junge Frau mit Normalgewicht vermeidet es vor anderen zu essen, weil sie in der Schule als Dickerchen gemobbt wurde. Der Informatiker, der es trotz hervorragender Ausbildung beruflich nicht nach oben schafft, weil er von seinen nachsichtigen Eltern weder Verantwortungsgefühl noch Pünktlichkeit gelernt hat. Oder die Krankenschwester, die kurz vor dem Burnout steht. Ihre depressive Mutter trichterte ihr als Jugendliche ein, dass sie an der Erkrankung Schuld sei. Nun versucht die Tochter, es gut zu machen, indem sie sich emotional voll und ganz in ihren Job stürzt und zu keiner Überstunde nein sagt.
Es immer allen Recht machen, um nicht anzuecken, sich im Freundeskreis als nicht akzeptiert und wahrgenommen fühlen oder sich selbst als beziehungsunfähig bezeichnen – hier folgen wir dem Schema F, bestimmte Situationen schieben in unserer Psyche immer die gleichen Gedankengänge und Verhaltensmuster an. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen und unsere eigenen Ziele erreichen, müssen wir die Ursachen der Denk- und Verhaltensmuster verstehen.
Aus dem Muster ausbrechen
Unsere Kindheit und Jugend prägen unsere Persönlichkeit im Positiven wie Negativen. Bleiben wir als Erwachsene in einem Schema F stecken, stehen dahinter zumeist Verletzungen und negative Erinnerungen, die wir als Kind erfahren haben. Wir können dann oft nicht die eigenen Ziele erreichen, weil die Denk- und Verhaltensmuster aus der Kindheit uns daran hindern. Die Psychotherapeutin und Supervisorin für Verhaltenstherapie und Schematherapie Gitta Jacob unterscheidet zwischen drei Schemata:
- Kindmodus: Wer sich bei der Arbeit nicht ernstgenommen fühlt, ängstlich und unsicher wie ein Kind ist oder sich manchmal einfach auch unter Freunden allein fühlt, der befindet sich im Kindmodus. Hier reagieren wir wie das wütende oder verletzte Kind in uns, verhalten uns unreif und irrational.
- Elternmodus: Es wird zwischen forderndem und strafendem Elternmodus unterschieden. Leistungsdruck, erzwungene Emotionen oder ein abwertendes Verhalten der Eltern gegenüber dem Kind können bewirken, dass wir selbst als Erwachsene noch versuchen, mehr zu leisten als andere oder schön zu sein, um geliebt zu werden.
- Verdrängungsmodus: Um die Gefühle, die bestimmte Situationen mit sich bringen, zu vermeiden, entwickelt jeder seine Bewältigungsstruktur. Die einen drücken sich vor dieser Situation, die anderen versuchen es dem Gegenüber recht zu machen, um nicht aufzufallen. Die Dritten flüchten in die Überkompensation. Sie überspielen ihre wahren Gefühle beispielsweise durch exzentrisches, kontrollierendes oder aggressives Verhalten.
Die innere Landkarte neu sortieren
Mit ihrem Ratgeber „Raus aus Schema F“ gibt Gitta Jacob eine Anleitung, wie wir aus diesen schädlichen Denkmustern ausbrechen können, um selbstgesteckte Ziele erreichen. Denn: Es schränkt uns ein, wenn wir immer nach Schema F reagieren, ohne die Situation objektiv und bewusst wahrzunehmen. „Sein persönliches Schema zu erkennen, das innere Erleben und äußeres Handeln zu reflektieren ist die beste Voraussetzung dafür, zu mehr Authentizität und emotionaler Balance zu finden“, so Jacob. Mit den Übungen und Denkanstößen im Ratgeber kann jeder seine innere Landkarte der Seele zeichnen und die Kind- und Erwachsenenanteile erkennen. Im zweiten Teil des Buches erläutert die Psychotherapeutin, wie wir nach und nach aus den gesetzten Mustern herauskommen. „Wie bei einer Familientherapie müssen das innere Kind und die inneren Eltern erkannt und verstanden werden“, erklärt Jacob, so kann überlegt werden, „wer in kritischen Situationen zurückstecken sollte, wer etwas ändern könnte, damit das ganze System besser funktioniert.“ Wer das Schema durchbrochen hat, kann vielleicht zum ersten Mal selbst entscheiden, wie er Erlebnisse wertet und wahrnimmt – da lohnt sich die Reise in die eigene Kindheit umso mehr.
Gitta Jacob: Raus aus Schema F. Psychische Muster erkennen und die eigene Persönlichkeit entfalten
Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2017
264 Seiten, 16,95 Euro
ISBN: 978-3-407-86451-2