In diesen Wochen beginnt in Deutschland wieder die Schule. Das ist immer eine Herausforderung, denn jedes Schuljahr bringt etwas Neues mit sich. Manche Schüler wechseln die Schule, andere starten als Abc-Schützen ins Schulleben. Wenn das Kind jeden Morgen Ängste aussteht und bettelt, zuhause bleiben zu dürfen, ist etwas schief gelaufen. Um eine Schulangst überwinden zu können, sollten Eltern die positive Psychologie anwenden.
Die Abwärtsspirale setzt sich in Gang
Alles fing gut an. Die Zuckertüte wurde ganz aufgeregt geplündert, ganz stolz wurde das Federmäppchen zum dritten Mal neu eingeräumt. Und dann kommt die erste Schulwoche. In der Garderobe wird Anna klar, dass sie nun allein in das Klassenzimmer gehen muss. Mutti kommt nicht mit. Tränen werden vergossen, die Mutter versucht zu trösten und es bricht ihr selbst das Herz. Anna klagt über Bauchschmerzen. Körperliche Ursachen werden nicht gefunden. Anna hat Schulangst. Dieses Beispiel des Familientherapeuten Philip Streit nennen Experten aus der Klinischen Psychologie und Kinderpsychiatrie Trennungsangst. Verhaltensweisen wie die von Anna „sind kennzeichnend für eine in Gang gekommene Abwärtsspirale der Angst als Reaktion auf die Herausforderung, sich von geliebten Bezugspersonen trennen zu müssen“, so Streit in seinem Buch „Ich will nicht in die Schule! Ängste verstehen und in Motivation verwandeln“.
Der Angst kein Futter geben
Eltern reagieren oft unsicher, denn sie wollen schließlich nur das Beste für ihre Kinder. „Es könnte ja wirklich etwas Dramatisches dahinterstecken, das unserem Sprössling widerfahren ist“, so Streit. Also lassen wir sie zuhause. Die Schulverweigerer fühlen sich bestätigt, von nun an wird es immer schwieriger, sie in die Schule zu bekommen. Also was tun, wie die Schulangst überwinden? Der Familientherapeut setzt auf die Positive Psychologie. Die Angst, die Kinder in solchen Situationen haben, beinhaltet eine unglaubliche Energie. Furcht ist schließlich auch eine Urkraft, die unsere Vorfahren in lebensbedrohlichen Situationen schützte. In Momenten der Angst setzen wir Adrenalin frei und entwickeln ungeahnte Kräfte, um uns aus der bedrohlichen Lage zu befreien. An einem Schulbesuch ist noch niemand gestorben, trotzdem haben diese Kinder eine Angst, die sich auch körperlich zeigen kann. Kopfschmerzen, Rückschmerzen oder Fieber, die Symptome der Schulangst sind vielfältig. Um diese Angst positiv zu nutzen und die Schulangst überwinden zu können, müssen sie in eine Aufwärtsspirale gelangen.
Die Aufwärtsspirale der Angst
Wie wird es dazu kommen, dass Anna ihrer Mutter eines Morgens ein Lächeln schenkt und mit Freude in die Schule geht? Die Lösung liegt im Verhalten zwischen Mutter und Tochter. Annas Mutter ist alleinerziehend und hat eine enge Bindung zu ihrer Tochter. Sie behütet sie wie einen Augenstern. In der Kita konnten die beiden ihren Alltag nach den eigenen Bedürfnissen gestalten. Nun bestimmt der Stundenplan ihr Leben und Anna muss lernen, ohne ihre Mutter auszukommen. Sie reagiert mit Trennungsangst. Streit plädiert dafür, diese Angst zu nutzen, um „die richtigen Bedingungen dafür zu schaffen, dass Schritte in Richtung Autonomie gesetzt werden können, damit sich schließlich Stärke und Autonomie entwickeln können.“
Das Selbstvertrauen stärken- Schulangst überwinden
Eltern müssen der Anker sein, damit sich die Kinder etwas zutrauen. „Wir sollten uns in diesen hochsensiblen Trennungssituationen zunächst mit dem Kind verbinden, signalisieren, dass wir da sind, ihm aber nichts abnehmen.“ Die Kraft, die das Kind aus der Herausforderung schöpft, setzt es im besten Falle dafür ein, diese Situation zu bewältigen und die Schulangst zu überwinden. Neben der Trennungsangst durchleben Kinder während ihrer Schulzeit auch Versagensangst oder Erfolgsangst. Mobbing und ein Dasein als Außenseiter sind weitere Gründe für Kinder, die Schule zu meiden. In seinem Ratgeber „Ich will nicht in die Schule! Ängste verstehen und in Motivation verwandeln“ spürt Philip Streit auch diesen Formen der Schulangst nach und gibt praktische Tipps für Eltern und Lehrer. Wer in diesen Tagen Unterstützung benötigt, sollte sich das Wissen und die Erfahrungen des Familientherapeuten zu Nutze machen.
Das Buch zum Thema Schulangst:
Philip Streit: Ich will nicht in die Schule! Ängste verstehen und in Motivation verwandeln. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2016.160 Seiten ISBN: 978-3-407-86413-0, 14,95 Euro.